Reportage: Brief an Humboldt (Südwestrundfunk, 2006)
Schauplätze Lateinamerikas: Brief an Humboldt
Am 16. Januar 2006 schrieb Martin Ebbing in der Reportage „Schauplätze Lateinamerikas“ vom Südwestrundfunk einen Brief an Alexander von Humboldt. Im Folgenden zitieren wir aus einem Auszug des damals publizierten Online-Artikels, der an die“Erde essenden Indianer” und an „Humboldts Spuren“ anknüpft::
Sehr geehrter Herr Alexander von Humboldt,
ich dachte, es mag Sie vielleicht interessieren, dass es uns trotz einiger Anstrengungen nicht gelungen ist, die Erde essenden Indianer vom Stamm der Otomaken ausfindig zu machen, die Sie während Ihrer Expeditionsreise entlang des Orinoco im Jahr 1800 anzutreffen glaubten. Schlimmer noch: Wir haben ernsthafte Zweifel, ob die Otomaken jemals existierten, und ob jemals ein Völkchen lebte, das runde, leicht angegrillte Erdbällchen unter allen Umständen schmackhafter findet als einen lecker zubereiteten, frisch gefangenen Fisch.
Niemand, sei es Indianer, Nachfolger eines Indianers oder Indianerexperte, den wir in der Region um den Zusammenfluss von Río Meta und Orinoco (dort, wo diese Indianer gelebt haben sollen) gefragt haben, hat jemals von Otomaken gehört. Bekannt sind die Piaroas, die Guahibos, die Panares, die Yarurus, die Piapocos,die Yanomamis, die Sicuanes, die Sálivas, die Amuruas, – aber keine Otomaken.
Unverständnis und Gelächter
Wenn wir nach Erde essenden Indianern gefragt haben, haben wir als Reaktionen bestenfalls mildes Unverständnis, schlimmstenfalls lautes Gelächter geerntet. Sie werden zugestehen müssen, dass der Gedanke, Menschen könnten sich vorwiegend und mit Genuss von Erde ernähren von Anfang an unter einem starken Schatten des Zweifels stand. Nirgendwo sonst wurden ähnliche Entdeckungen gemacht, obwohl die Ernährungswissenschaften sicher ein brennendes Interesse daran hätten, das Geheimnis zu entschlüsseln, wie man mit Erde eine gesunde Diät zusammenstellen kann.
Quelle: Südwestrundfunk
16. Januar 06 – Brief an Humboldt
Von Martin Ebbing