»À propos Kehlmann«: HiN mit Sondernummer zu Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“, online ab dem 25.10.2012
Zeitgleich zur Premiere der Romanverfilmung „Die Vermessung der Welt“ (Regie: Detlev Buck, Drehbuch: Detlev Buck, Daniel Kehlmann) veröffentlicht die internationale Fachzeitschrift für Humboldt-Studien HiN – Humboldt im Netz am morgigen Donnerstag, den 25. Oktober 2012, eine Spezialnummer mit dem Titel »À propos Kehlmann«. Die speziell dem Erfolgsroman Die Vermessung der Welt gewidmeten Untersuchungen von Ottmar Ette, Frank Holl und Eberhard Knobloch werden hier bereits in kurzen Auszügen vorgestellt:
Ottmar Ette Alexander von Humboldt in Daniel Kehlmanns Welt / De cómicos e histéricos. Una réplica a la sátira sobre eruditos de Daniel Kehlmann
Wie stark sich im Verlauf des zurückliegenden Vierteljahrhunderts der Bekanntheitsgrad Alexander von Humboldts in der deutschsprachigen Öffentlichkeit verändert hat, zeigen nicht nur Fernsehumfragen zu den berühmtesten Deutschen, in denen Alexander von Humboldt mittlerweile figuriert, oder Fernsehserien, die über aktuelle Expeditionen berichten und auf Humboldts Namen zurückgreifen. Am deutlichsten vielleicht belegt dies der enorme Erfolg von Daniel Kehlmanns Roman Die Vermessung der Welt, der ohne die zuvor skizzierte Entwicklung nicht denkbar gewesen wäre. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nur reizvoll, sondern aufschlußreich, sich mit dem großen Erfolg dieses kleinen Romans zu beschäftigen. Worum geht es in Die Vermessung der Welt? Und wie läßt sich das »Phänomen Kehlmann« aus etwas größerer Distanz erklären?
Frank Holl „Die zweitgrößte Beleidigung des Menschen sei die Sklaverei …“ – Daniel Kehlmanns neu erfundener Alexander von Humboldt
Versucht man eine Zusammenfassung der Hauptcharakteristika der Kehlmann‘schen Romanfigur, ergibt sich folgendes Bild: Kehlmanns Humboldt ist ein klein gewachsener, sich der preußischen Uniform mitsamt Degen auch im Urwald nicht entledigender, pädophiler, überheblicher, humorloser, fast immer schlecht gelaunter, chauvinistischer Forscher. Während seiner Expedition durch die Tropen der Neuen Welt vermisst und zählt er ausnahmslos alles, für ihn erreichbar ist. Sogar über die Läuse auf den Köpfen der Frauen fertigt er Statistiken an. Von den Kulturen der Neuen Welt nimmt er so gut wie nichts wahr. Es fehlen ihm Kunstsinn und Gespür für Menschen, er ist „den Maschinenmenschen E. T. A. Hofmanns ähnlich.“ Als alter Mann erkennt er letztendlich die Nutzlosigkeit seiner wissenschaftlichen Bemühungen. […]
Würde man den Roman einem Faktencheck unterziehen und sachliche Unkorrektheiten in eine Graphik im Stile von Guttenplag übertragen, wäre praktisch jede Seite des Buches farbig markiert. Ein derartiger Faktencheck ist nicht Ziel dieses Beitrages, es geht hier allein um die Frage, auf welche Weise Kehlmann, wie er selbst meint, „im Dienste der Wahrheit“ agiert. Dies soll am Beispiel von einigen Hauptcharakteristika seiner Humboldt-Figur untersucht werden.
Eberhard Knobloch Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß – im Roman und in Wirklichkeit
Daniel Kehlmanns Roman Die Vermessung der Welt wird hoch gepriesen und streng kritisiert. Kehlmanns Kritiker lesen seine Satire als eine verfälschte Biographie von Gauss und Humboldt, obwohl der Autor wiederholt selbstironische Bemerkungen eingestreut hat, die sein wahres Ziel offenbaren. Der Aufsatz bemüht sich, Kehlmanns fiktiven Roman angemessen zu beurteilen und einige der wirklichen Aktivitäten und Errungenschaften von Gauss und Humboldt zu charakterisieren, indem Kehlmanns erzählte mit den historischen Tatsachen verglichen werden. Beide Wissenschaftler waren stark am Erdmagnetismus interessiert, was zeitweise zu einigen Spannungen zwischen ihnen führte. Humboldts Messmethoden und seine Überzeugung, dass alles Wechselwirkung ist, waren zwei Seiten derselben Medaille. Nur numerische Elemente konnten helfen, die Gesetze zu finden, die die Natur regieren. Humboldts wissenschaftliche Techniken und Ziele (Methode der Mittelwerte) waren gut begründet. Humboldts Reisen und Forschen bildeten eine untrennbare Einheit. Humboldts Naturbegriff schloss beide Möglichkeiten ein, das heißt die natura naturans und die natura naturata, die schaffende und herrschende Natur und die Natur, die von bestimmten Gesetzen beherrscht war. Sein überragendes Interesse an Naturgesetzen gründete auf der Überzeugung, dass sie ewig waren und dass sie die Ordnung und Ewigkeit der Welt garantierten.